Piraten und Einhörner in Schweden

Schweden kann nicht nur Ikea, soviel stand vorher fest. Dass Schweden auch geniale Hindernisläufe, in diesem Fall OCR Golden Trophy Stenungsund, hat wussten wir vorher nicht – aber genau das haben wir herausgefunden. Eigentlich eine lustige Geschichte: Vor einem dreiviertel Jahr findet man einen Flyer auf dem steht: fünf Kilometer, 100 Hindernisse. Coole Sache, machen wir. Soweit so gut. Dann stellt man mit einigem Entsetzen fest, dass dieser Lauf in Schweden ist. Jetzt könnte man meinen, dass das ein Killer ist für unsere Pläne – man könnte uns aber auch kennen. Ferienhaus gebucht, Kurzurlaub geplant, die Sache ist geritzt. Stenungsund liegt bei Göteborg, also ist das Rahmenprogramm auch kein Problem. Muddy Unicorn Pirates on Tour ins Land der Vikinger und Protestanten, das Sauerland geht auf Reisen…man kann viele spannende Überschriften finden. Die beste wäre aber wohl “Wie ich mir ziemlich heftige fünf Kilometer ganz einfach vorgestellt habe”.

In unserem uns eigenen geistigen Siplizissimus vergisst man gerne mal, dass Schweden ja ein wenig felsig ist. Landschaftlich wunderschön, unglaublich toll, aber felsig. Nicht diese kleinen Dinger, sondern richtig coole Felsen. Einen kleinen Vorgeschmack bekamen wir am ersten Tag unseres Aufenthaltes (ja, auch das musst du lesen, wenn du was über den Lauf wissen willst – Kultur und so gehört dazu). Also dampfschnaufte ich mich durch den ersten Trail als Wanderer im Viking-Kostüm, sehr zum Amusement der einheimischen Bevölkerung und bewunderte meinen jüngsten Spross beim durch die Botanik diffundieren. Ewelina nahm es mit stoischer Ruhe, Tanja kämpfte wacker und auch Sarah und Christine ertrugen diese unmenschliche Tortur, die wir aber knapp überlebten indem wir uns gegenseitig mit dem Lied “Tjörn” und “Mjörn” Mut zusangen (was wirklich nur jemand zu schätzen weiß der dabei war alles zu verlieren). Kurzum: Landschaft haben die hier en masse, da gibt es keine zwei Meinungen. Und die ist nicht nur wunderschön, sondern auch und insbesondere eine Herausforderung. Vermutlich sollte an dieser Stelle auch das Engagement der drei mutigen Elchforscher Sarah, Christine und Adrian hervorgehoben werden, die aber außer Erfahrung und vielen Eindrücken von Elchkacke nichts gefunden haben – aber dafür wissen wir jetzt, dass das hier offenbar ein fast wertvoller Rohstoff ist. Am Folgetag stand mit Göteborgs Stad eine Stadt auf dem Plan – absolut eine Reise wert, nicht nur wegen des Botanischen Gartens, sondern auch weil der Hafen eine Menge zu bieten hat. Wenn man nicht wie wir acht Tage vor Museumsöffnung vor Ort ist. Tja, manchmal würde Lesen helfen.

Heute. Der Tag des Ruhmes dann. Wohlan, schallmaite es morgens durch unsere Ferienwohnung, auf ins Gefecht Gefährten. Hin zu Ehre und ewig währendem Ruhm! Naja, so jedenfalls der Plan. Bisher unerwähnt blieb das leckere Essen. Ganz durch unser intensives Ikea-Studium haben wir natürlich auch den ein oder anderen Köttbullar genascht. Und Nudeln. Die aber aus Deutschland. Kulinarisch also auch voll erfolgreich hier. Zurück zum Ritt der Walküren. Etwas müde rumpelten wir zum Festgelände und meldeten uns mit Händen und Füßen an. Also grundsätzlich einigten wir uns darauf Startnummern zu kriegen, weil wir angemeldet waren. Irgendwie hat aber niemanden interessiert, dass wir welche hatten – und vor allem welche jetzt wer tragen sollte. Egal, fix umziehen, erfurchtsvoll an dem Endgegener, einer unfassbar steilen Quaterpipe, hinaufblicken und noch ein kurzes Photo in der Startaufstellung der mit etwa 30 Mann überschaubar stark besetzten Startwelle (waren aber alle so groß) machen bei dem wir vom Moderatorenteam gut unterstützt wurden und schon ging es auf die Strecke. 150 Meter und ein Carry, etwa 15 Kilo in Sandsäcken durften einen Berg rauf und wieder hinunter getragen werden. Ok, das ging. Dann begannen die Festspiele der eingelaufenen Eskaladierwände. Keine Ahnung wie viele der brusthohen Fieslinge sich hier aufgestellt waren. Hat man bei der ersten noch geschmunzelt so war spätestens bei Nummer 15 klar, dass auch die Tribut fordern.

Hautpartikel und Kraft in diesem Fall. Wir mussten uns relativ zügig eingestehen, dass wir die 100 Hindernisse etwas sorglos unterschätzt hatten. Aus der Erfahrung haben wir angenommen dass mal wieder jede Bierkiste und jeder Ast als Hindernis gewertet wurde – aber hier waren wirklich 100 künstliche Hindernisse aufgebaut, absolut grandiose Leistung von Military Fitness Sweden. Dazu der Fels. Und der Schlamm – Schweden hat nicht nur von dem Gesetz “Schlamm muss stinken” gehört, sie haben die Mutter des Stinkeschlamms. Und dann noch ein paar technische Spielereien, sowas wie moving Monkeybars, lustige Strickleitern (nach oben) und ein paar Hangelstangen. Die Masse war aber Oldschoolhindernis: krabbeln unter Netzen, Stacheldraht, gerne auch mal mehr als als 20 Meter…und dann die Quaterpipe.

Aber natürlich nicht zuletzt durch das Bezwingen meines Engegners Darth LowRig schnellte ich beflügelt hinauf. Dann noch ein paar Schweden hinauf helfen (lustige Sprachbarriere: wenn ein Schwede etwas sagt was sich wie “go away” anhört heißt das “pack zu” und er will Hilfe – einmal Lachkrampf auf der Quaterpipe und eine neue Bekannte gewonnen, die Läufe mit nur einem Bein meistert) und dann ab auf die zweite Runde. Geilo. Alles nochmal im Schnelldurchlauf für mich, die anderen haben sich eine Pause gegönnt vor dem zweiten Turn und Adrian war mit einem Mal gut bedient; dafür aber umso glücklicher. Medaillen sind offenbar ein guter Ersatz für nicht gefundene Elche. Nach den gefühlt 100 gar nicht mal so sehr gestellten End- und Abschlussbildern und dem nur ganz leisen weinen unter der Dusche wegen der vielen Schürfungen ist jetzt Kadaverschonen angesagt, bevor es morgen wieder heim geht. Leider. Das waren unglaublich tolle Tage hier – aber für kommendes Jahr werden wir wohl wieder etwas planen. Wenn wir da nur halb soviel lachen kriegen wir im Urlaub einen Six-Pack. Locker.

Liebe Grüße

Patrick und Ewelina