Nikolauscross in Elmshorn – Ein Cyclocross-Rennbericht aus Sicht eines Einsteigers

Als ich gegen 13.00 am Samstag eine Proberunde auf dem Kurs in Elmshorn drehte, war ich mir nicht ganz sicher ob es so eine gute Idee gewesen ist hier anzutreten. „Der Kurs ist einfach,“ hatte ich zuvor von verschiedenen Seiten gehört. Ich habe mit einem lockeren Waldweg gerechnet, ok von der Treppe hatte ich schon gehört. Auf YouTube hatte ich ein GoPro-Video vom Kurs gefunden, das tatsächlich harmlos aussah. Jetzt fragte ich mich wo der Macher des Videos gefilmt hat. Hier? Vielleicht im gleichen Wald, aber mit der Rennstrecke hatte es wenig zu tun.

Tatsächlich fand ich mich auf technischen Kurven, die auch gerne Schlenker nach oben oder unten machen wieder. Sie verlangten meiner spärlichen Technik alles ab. Zur Info: Nur ein paar Wochen zuvor stand ich noch als begeisterter Zuschauer beim Stevens Cup in Norderstedt. Schon da beschloß ich irgendwann mal so etwas vielleicht zu machen – vielleicht im nächsten Jahr. Dass ich nur kurze Zeit später mit meinem Crosser selbst um den Kurs fahre hätte ich nie gedacht. Aber es ging ganz schnell: Einmal nahm mich Jens (Jens Koß, der später das Rennen gewann) mal mit zum Training, zum Ausprobieren. Kaum auf Strava gepostet, überredete mich ein Radkollege mich anzumelden.

Also auf nach Elmshorn und schon fuhr ich hinter Jens eine Übungsrunde zum Kennenlernen der Strecke, der mir zum Glück noch sehr viele Tipps mitgab und mir eine Linie fürs Rennen zeigte. „Wenn Du schnell bist sind mit dem Crosser viele Passagen einfacher. Hier musst Du einfach volle Pulle hochfahren, wenn Du bremst kommst Du hier erst gar nicht hoch“. „Ok, aha,“ dachte ich, „klingt ja super“. Umsetzen war aber nicht so einfach wie verstehen. Die Angst fährt an vielen Stellen bei mir noch mit. Weniger beruhigend war für mich die Ansage, dass im Rennen der Klasse Hobby Ü40 dann wohl vier bis fünf Runden zusammenkommen würden. Das war nach einer gefahrenen Übungsrunde ein Schock, denn fühlte sich ziemlich lang an. Ich fahre zwar reichlich und auch nicht langsam Rennrad, aber ein Cross-Rennen ist eine andere Nummer, findet in einem anderen Belastungs- und Pulsbereich statt. „Es ist wie ein Zeitfahren,“ hatte neulich der Eurosport-Kommentator Jean Claude LeClerc beim Cross-Worldcup in Zeven gesagt. Recht hat er, hier ist Vollgas, die ganze Zeit.

Während der Rennen vor dem Start wurde ich immer nervöser. Leichte Zweifel kamen auf ob die Schnapsidee der Anmeldung nicht einfach eine Nummer zu groß für mich gewesen ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit versammelten sich endlich das Feld im Startbereich. Das war nicht nur mein erstes Cross-Rennen, sondern überhaupt mein erstes Radrennen. Zuvor war ich nur bei diversen Volksläufen, einmal auch beim Marathon am Start – das wars.

Ich stellte mich bewusst weit hinten an, denn ich wollte mich aus dem Startgetümmel möglichst raushalten und schon gar nicht jemandem im Weg stehen. Als es los ging lagen und verhakten sich auch schon ein paar Fahrer irgendwo. Aber bis ich das richtig gesehen habe, war ich schon zum ersten mal an der Treppe am Butterberg angekommen. Es gab schnell eine große Lücke zur Spitze. Ich wusste nicht so recht ob ich mich darüber freuen oder entsetzt sein sollte dass ich eine kleine Gruppe aus drei Fahrern anführte.
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Aber eigentlich ist man beim Cross viel zu beschäftigt um nachzudenken. Schon kommen zum ersten mal die Hürden. Für Routiniers kein Problem, ich hatte das Ab- und Aufsteigen im Cross-Stil aber erst zwei Wochen vorher gelernt. Umso erstaunter war ich dass es eigentlich halbwegs klappte – auch wenn das Rad beim ersten mal irgendwie recht dämlich hinter mir herschleppte. Aber ich kam jedes mal unfallfrei über die Hindernisse (und auch über die zweiten Querbalken, die bessere Fahrer einfach im Sprung nehmen).
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Zu meinem Erstaunen ging alles von Runde zu Runde immer besser, die Linie immer flüssiger. Von meinen beiden Verfolgern überholte irgendwann einer und zog ab. Mit dem anderen bildete ich die rote Laternen-Gruppe. Ich versuchte ihn immer wieder abzuschütteln, drehte mich um und konnte teils auch ein paar Meter wegziehen, aber es reichte nicht um ihn loszuwerden. Als irgendwann die Glocke für die letzte Runde zu hören war, große Erleichterung einerseits und andererseits Staunen dass es doch schon rum war. Cross-Rennen machen einen unglaublichen Spaß und im Renn-Modus holt man einfach alles aus sich raus. Das Anfeuern der Zuschauer wirkt auch Wunder und trägt zum Spaß bei der Sache bei.
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Irgendwann kam die Spitze des Feldes als Überrundung vorbei. Wie Jens und sein Verfolger an uns vorbeiflogen werde ich nie vergessen – als kommt ein D-Zug von hinten, der wie eine Achterbahn die Steilkurve auf den Hügel nimmt. Unglaublich. Da merkt man, dass man in einer anderen Liga fährt. Aber das ist alles egal, denn ich hätte nie gedacht, dass ich sowas mal mache und durchkommen ist schon ein Erfolg für mich.
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 Irgendwann kam ich zum letzten mal auf die Zielgerade. Zum Glück rief mir Nils Koß von der Seitenlinie zu: „Stefan pass auf, da ist noch jemand!“. Der Verfolger war also noch da und setzte gerade auch schon zum Überholen aus dem Windschatten an. Also Sprint, alles raushauen und im Tigersprung über die Ziellinie. Es hat am Ende um eine halbe Radlänge gereicht, ich wurde vorletzter.
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 Für mich, also Komplett-Anfänger fühlte sich das so an wie sich ein Sieg. Und ja, mit dem Cyclocross-Rennvirus hab ich mich infiziert. Das „nie wieder“ vor dem Start vergessen. Das erste Rennen war für mich ein großes Highlight meines Rad-Jahres. Ich kann es kaum erwarten bis das nächste losgeht.
Stefang von Gagern