Oppland Extreme Triathlon – Ein zukünftiger Klassiker im Testbetrieb

Es ist ja immer schon so eine Herzenssache gewesen, da kann man auch nicht argumentieren. Die einen lieben namhafte glamouröse Wettkämpfe mit schnellen Strecken, großen Startfeldern und vor allem massig Zuschauern, die einen in Tour-de-France-Manier über die Strecke pushen. Gänsehautatmosphäre liest man da immer, hat sicherlich was. Andere mögen lieber kleinere Rennen, nicht zwangsläufig unbedeutendere, immerhin ist der Norseman zum Beispiel mittlerweile so prestigeträchtig wie die „Großen“.

Dann gibt es noch die ganz kleinen, vom Anspruch aber gang große. So einer ist er Oppland Extreme Triathlon in Norwegen, dieses Jahr am letzten Junisamstag zum Test ausgetragen. 19 Teilnehmer nur, da bekommt man auch schon mal liebevoll personalisierte Startunterlagen…
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Die Aufgabe für den Tag: 3,8km Schwimmen im Randsfjord, Norwegens viertgrößtem Binnensee, eine 200km Radreise mit 2.500 Höhenmetern über die Hochebene Valdresflya und schließlich ein Marathon aus dem Tal der Sjoa in den Rondane Nationalpark, eben noch einmal 1.000 Höhenmeter. Nicht ohne, das Ganze, allerdings wurde das Schwimmen dann bei 11° Wassertemperatur doch auf 1,8km verkürzt.
Morgens um 03:30h: Wichtelwanderung durch den Wald zum Schwimmstart
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4:00h Alle ab ins Wasser
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1,8km später alle wieder raus, diesmal einzeln…
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Die Radstrecke beginnt ganz freundlich mit ein paar Hügeln in den frühmorgendlichen Wäldern, nach 40km beginnt es allerdings, stetig bergauf zu gehen.
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Das sollte für die nächsten 100km das beherrschende Thema werden…
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Etwa bei km 100 passiert man die Baumgrenze, die Landschaft verändert sich ohne Vorwarnung dramatisch. Die Luft hat noch 4°, links und rechts liegt der Schnee noch meterhoch. Eine vollkommen unwirkliche Atmosphäre.
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Bei km 140 ist der mit 1389 m ü.N. höchste Punkt der Stecke erreicht, ab jetzt geht es mehr oder wenig stetig (die „weniger“-Passagen schmerzen nochmal richtig…) bergab ins Tal der Sjoa, ihres Zeichens beliebtes Wildwasserrevier. Der wilde Fluss ist eine wahre Pracht, das macht das letzte Stück wenigstens mental ein wenig kurzweilig. Körperlich tut längst alles weh…

Nach dem Wechsel eiere ich die ersten 7km die Straße nach Otta herunter, das geht noch ein bisschen. Später bekomme ich heftige Schmerzen in den Füßen, ein Tribut an die bekannten orthopädischen Probleme, die mich schon immer ausgebremst haben, Der Hohl-Spreiz-Fuß lässt grüßen… Irgendwann erreiche ich dann doch Otta, das Zentrum der Region. Von hier an geht es wieder bergauf. Immer wieder, immer weiter, durch den Wald, entlang eines Flüsschens, das wäre ein schöner Spaziergang hier. Ist aber ein Rennen. Mittlerweile ist es über 25° warm und wird echt anstrengend.

Viel später erreiche ich eine Sommerhüttensiedlung, biege rechts um die Ecke und bleibe wie vom Donner gerührt stehen. Der Anblick, der sich bietet ist so ein Bild, das man den Rest seines Lebens vor sich sieht, wenn man die Augen schließt: Eine baumlose Ebene bis zum Horizont, wo sich die schneebedeckten Gipfel des Rondane Nationalparks bis auf über 2.000m auftürmen.

Unschöne Nebensache: Das Ziel liegt da vorne, zwischen den Bergen. 10km noch.
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Das zweite Problem: 6km vor dem Ziel ist Schluss für das Begleitfahrzeug, in dem Susanne als Support nun schon ebenso lange unterwegs ist wie ich. Ab da muss jeder zu Fuß weiter, alles Gepäck muss auf dem Rücken transportiert werden. Alles, was bis zum nächsten Tag gebraucht wird, das Ziel ist nämlich eine bewirtschaftete Berghütte des norwegischen Tourismusvereins DNT.
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Jeder heißt wirklich jeder, das gilt auch für die Veranstalter. So will es der Zufall, dass wir im kleinen Treck mit der Crew Richtung Rondvassbu, so heißt die Hütte, aufbrechen. Eine muntere Runde, ich bin als einziger offiziell noch im Rennmodus, was aber schon längst egal ist. Die Wertung erfolgt sowieso nur nach Uhrzeit der Ankunft, es soll gewissermaßen ein Rennen ohne Renncharakter sein, schon die Zwischenzeiten wurden nur vom Support ins Logbuch in der Wechselzone geschrieben: „Daniel verlässt T2 um 14:00h“.

21:30h: Auf der Zielgeraden vor Rondvassbu. Alle Starter und Crewmitglieder stehen Spalier, eins der emotionalsten Finishs, an das ich mich erinnern kann.
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Endlich da! Mit vollem Marschgepäck. Rennzeit 17:30h
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Mitten in der Nacht, gegen 00:15h, kommt der letzte Finisher ins Ziel. Wieder sind alle draußen zum Empfang, es ist ja hier noch hell.

Am nächsten Tag trifft man sich nicht zur Siegerehrung, sondern zur Finishershirt-Verteil-Zeremonie. Naja, geehrt wurde dann doch, nämlich der Erste und der Letzte!

Athleten, Support und Crew verschmelzen zu einer einzigartigen Großfamilie.
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Eine Atmosphäre wie hier habe ich noch nicht erlebt, ich bin gespannt, was die Zukunft für dieses wunderbare Rennen bringt. Die Strecke ist unvergleichlich, ich bin sicher, hier ist ein Klassiker geboren. Es gibt schon vorsichtige Planungen für das nächste Jahr, dann mit ein paar mehr Startern. Und einem deutschen Crewmitglied, das dieses Jahr noch als einziger internationaler Gast unter lauter Norwegern selbst gestartet ist… Also, im Auge behalten wir dringend empfohlen (www.oxtri.com)!

Daniel Flöttmann

a.k.a. Silverback